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Ernst Liebrich erzählt aus seiner Jugendzeit

18.02.10 (Aktuelles, Gerhard Ahrens, Startseite)

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Gerhard Ahrens schreibt für FussballFanSeiten.de – Folge 6

Wenn ich nunmehr aus Ernst Liebrich seinem Manusskript zitiere, so bezwecke ich dadurch meine Berichte Zeitabläufen entsprechend zu verfassen. Natürlich werden hierbei auch Fakten aufgedeckt und Situationen geschildert, die mit „Mythos Fritz Walter“ nur bedingt in Einklang zu bringen sind. Auf der einen Seite steht jedoch die Hitlerzeit, die ja eigentlich alle Familien betraf. Ich werde versuchen, diese Zeit genau so aus meiner Sicht zu schildern, wie Ernst seine Erfahrungen mitteilt. Dazu ist wichtig zu wissen: Fritz Walter möchten wir auf keinen Fall in irgend einer Art schädigen in dem unter Umständen unsere Erlebnisse, durch Verquickung der Vorgänge auf ihn angewandt werden und auf Fritz ein falsches Licht werfen könnten. Hiermit möchte ich eindeutig erklären, dass Fritz und seine Kameraden von der Walter-Elf nie über politische Themen selbst bei stundenlangen Busfahrten nach London, Barcelona, Valencia, Brüssel, Lüttich, Paris usw. ein Wort verloren haben. Wir spielten Karten, sangen unsere bekannten Lieder (unter anderen Fritz Walters Lieblingslied: „Bacarole in der Nacht“) oder ruhten und konzentrierten uns auf das nächste Spiel. Was hier niedergeschrieben wird sind Ernst Liebrichs und meine eigenen Erlebnisse und was wir als Jugendliche vor und in der Kriegszeit erlebten. Als dann bei Ernst Liebrich der spätere Weltmeister Bruder Werner auf die Welt kam, hatte er für andere Aufgaben Verantwortung.



So schreibt Ernst in seinem Vorwort: Dieser authentische Bericht eines einfachen Fußballspielers, der dreizehn Jahre einem der berühmtesten Teams der Nachkriegsjahre angehörte, dessen Popularität weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinausging und wovon heute noch die älteren Jahrgänge der Fußballenthusiasten in Wehmut der Tage gedenken, wo dieses herrliche Spiel auf den Rasen noch Erholung, reine Freude, ein Kräftemessen und Überlisten des direkten Gegenspielers war. Dieser Tatsachenbericht soll vor allen Dingen unserer Jugend gewidmet sein. Gerade sie hat Vorstellungen, glaubt, der Weg zu Ruhm, Ehre, Ansehen und Geld sei gerade, offen und ehrlich. Deutscher Fußballmeister 1953Ernst Liebrich mit Mannschaft bei einem Spiel in Trier
Auch soll der Bericht in etwa hinter die Kulissen eines Fußballvereins leuchten, der aus der Provinz heraus zu Namen und Ehren auf internationaler Fußballebene kam. Waren die Träger dieses Vereins, der Sportverbände, in der Lage dem Wachstum, den stetig sich mehrenden Anforderungen dieser Mannschaft die Waage zu halten. Nicht gesehen aus der Sicht eines Stars oder Nationalspielers, dieselben genießen heute wie damals Sonderrechte und ihre Ansicht würde dementsprechend voreingenommen sein. Sondern als einfaches Mitglied dieser Truppe, auf das man ebenso wenig verzichten kann bzw. konnte wie auf den Mann der stets die Reservebank drücken mußte. Junge aufstrebende Spieler sollten die ganze Konzentration auf das Training, auf die ihm übertragenden Aufgaben richten. Dennoch ist es ratsam, vereinsinterne Angelegenheiten im Auge zu behalten und wachsam zu bleiben, die Überraschungen sind nicht mehr so groß und treffen einem dann nicht mehr so hart.
Herberger bei der Walter-Elf
Ernst Liebrich im Fritz Walter Stadion
Des weiteren sollen auch für diejenigen, die Sonntag für Sonntag Strapazen und finanzielle Einbußen für die An- und Abreise zu unseren Spielen in Kauf nahmen, ein paar nette Erinnerungen an große Begebenheiten der damaligen Zeit in ihnen wachgerufen werden. Waren wir doch außer den zu bestreitenden Meisterschaftsspielen innerhalb der Regionalliga Südwest in allen deutschen Landen zu Vergleichskämpfen gerne bereit. Nicht nur bei Großvereinen – nein, sehr oft gaben wir in der Provinz, bei kleinen Landvereinen ein Gastspiel, was wesentlich zu unserer Beliebtheit und Popularität beitrug. Insbesondere führten uns nach den Meisterschaftsspielen dreiwöchige Tourneen durch alle Lande und Regionalverbände, und hier waren wir in Norden und Westen wesentlich öfter zu Gast als im benachbarten Süden. Gerade in diesen Freundschaftsspielen sammelten wir viele Erfahrungen in jeglicher Hinsicht. Wir wurden zum Kassenmagneten und für manchen Verein und Kassierer zum rettenden Strohhalm.
Von den ersten Versuchen nach dem Krieg mit ausländischen Vereinen, insbesondere mit unseren westlichen Nachbarn, will ich berichten, wo wir mit großen Schwierigkeiten in punkto Gastfreundschaft und Spielstärke rechneten. Galt
es doch, Menschen zu begegnen, um sportliche Verbindungen anzuknöpfen, denen noch der Schrecken, die Angst, die Verbitterung eines Krieges, für den wir uns schuldig fühlen mußten, in den Gesichtern stand und die auf deutsche Clubs nun nicht gerade gewartet hatten. Aber hier konnten wir die erfreuliche Tatsache mit nach Hause nehmen, dass der Sport, insbesondere unser geliebter Fußballsport, ein völkerverbindendes Glied unserer Gesellschaft darstellt und nie mehr wegzudenken sein wird, solange es junge, begeisterte Menschen für diese Sache gibt. Bus



Überall in der Welt, wo Menschen diese Gedanken guten Willens hegen, und gerade in der Gemeinschaft der Sporttreibenden scheint dieser Geist die Verbundenheit wahre Früchte zu tragen, ist es gut um die Jugend der Nationen bestellt. Vielleicht trägt sie einen wesentlichen Teil zur Erhaltung der Verständigung und einer friedlichen Koexistenz bei.

Gerhard Ahrens

PS:
http://www.initiative-fritz-walter-museum.de/videos/
Dieser Link zeigt Fritz Walter im Gespräch mit Rudi Michel – unverfälscht und ehrlich wie er im Leben stand.