FussballFanSeiten.de

Aktuelles aus der Welt des Fußballs + Spielberichte von Fans für Fans

Trotz Krieg 24 Länderspiele mit Fritz Walter

13.03.10 (Aktuelles, Gerhard Ahrens, Startseite)

Twitter It!    Teilen

Gerhard Ahrens schreibt für FussballFanSeiten.de – Folge 8

„Die Wachposten bestürmten den zuständigen russischen Hauptmann Schukow mich nicht nach Russland abzutransportieren.“

Wer diesen Abschnitt liest wird schnell erkennen, wie viel Not und Elend und den ständigen Tod vor Augen Fritz Walter in den letzten Kriegsjahren hatte. Um so größer seine Verdienste um den Wiederaufbau des Stadions und den Zusammenhalt seiner Walter-Elf. Die heute noch einen unglaublichen Weltruhm geniest. Wer heute wegen des schnöden Mammons und der Geldgier sich weigert das Fritz Walter Museum einzurichten oder das Stadion umtaufen will, der versündigt sich an unsere Vergangenheit. Der versündigt sich an Fritz Walter. Die Oberen predigen immer von Leuchttürmen, die sie für Kaiserslautern setzen wollen, so blind kann man doch gar nicht sein, dass man nicht erkennt was man in Händen hält.
Fritz Walter hatte die ersten Kontakte mit Sepp Herberger bereits Ende der 30er Jahre. Ein Foto zeigt die beiden zusammen im Trainingslager als Fritz das erste Mal das Nationaltrikot tragen durfte.
14. Juli 1940 bestritt er gegen Rumänien mit 3 Toren schon sein erstes Länderspiel. Es wurde 9:3 gewonnen. Wo bei Reichstrainer Sepp Herberger keinen leichten Stand hatte, da er drei 19jährige in die Mannschaft eingebaut hatte und diese Anordnung nicht überall Zustimmung fand. Es folgten die Spiele 13:0 gegen Finnland, 2:2 gegen Ungarn, 7:2 gegen Bulgarien, 0:2 gegen Jugoslawien und ein 1:0 Sieg gegen Dänemark. Schrieb ich vordem schon, mit der halben Welt im Kriegszustand und völlig unverständlich, trotzdem Länderspiele. Besonders im Falle Dänemark, das uns bereits am 9.4.1940 den Krieg erklärte und dann noch zwei Spiele gegen Deutschland aus trug.



Am 5. Dezember des gleichen Jahres wurde Fritz Walter zur Infanterie eingezogen und wurde nach Diedenhofen in der Nähe von Metz verlegt. Reichstrainer Sepp Herberger hatte es fertig gebracht, alle seine Nationalspieler in eine Sportkompanie zusammen zu halten. Der Kompanieführer Oberstleutnant Hermann Graf als Torwart war selber vom Fußballbazillus befallen und verstand alles bei den „Roten Jägern“ zu organisieren. Natürlich auch von höchster Stelle in Berlin unterstützt, da die Nationalmannschaft natürlich auch ein Prestigeobjekt darstellte.
Obwohl das Kriegsgeschehen immer heftiger in unser Leben eingriff, wurden 1941 weitere 8 Länderspiele ausgetragen und zwar: 4:2 gegen die Schweiz, 7:0 gegen Ungarn, 1:2 gegen die Schweiz, 4:1 gegen Rumänien, 5:1 gegen Kroatien, 2:4 gegen Schweden, 1:1 gegen Dänemark und 4:0 gegen die Slowakei.
1941 gegen die SchweizGefreiter Fritz Walter
So war es am 13. April 1942 trotz Krieg und vielen anderen Problemen noch möglich die Gauliga Westmark Meisterschaft auf dem Betzenberg einzufahren. Dabei waren in den Reihen des FCK bereits viele Kameraden der späteren Walter-Elf. Wie Fritz und Ottmar Walter, Ernst Liebrich, Werner Kohlmeyer, Werner Baßler und Heinz Jergens.

1942 kam es zu 10 weiteren Länderspielen in denen Fritz Walter mit wirkte und zwar gegen Kroatien 2:0, gegen die Schweiz 1:2, Spanien 1:1, Ungarn 5:3, gegen Bulgarien 3:0, gegen Rumänien 7:0, gegen Schweden 2:3, gegen die Schweiz 5:3, Kroatien 5:1 und gegen die Slowakei 5:2.
Durch die Spiele mit den „Roten Jägern“ und auch in einer Wachkompanie war Fritz Walter weitgehendst vom Kriegsgeschehen abgeschirmt. Sein zwischenzeitlicher Bekanntheitsgrad im Fußballsport sollte sich auch bei Kriegsende für seine Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft positiv auswirken.
Als am 20. November 1942 das letzte Länderspiel in damaligen Preßburg dem heutigem Bratislawa mit 5:2 gewonnen wurde, war dieses das letzte Spiel der Nationalmannschaft im Krieg. Wir wurden von Sepp Herberger telefonisch benachrichtigt, es galt ein völliges Spielverbot und die Spieler sollten sofort an die Front versetzt werden. Fritz Walter ließ sich zu einem Mitspiel in einer französischen Soldaten Elf überreden und bekam ziemlichen Ärger mit seinen Vorgesetzten. Er hatte unter den Namen Fritz Hack gespielt, aber ein Reporter entdeckte, wer da tatsächlich spielte.

Im Krieg 1940
Die deutsche Nationalmannschaft im Krieg bei der Nationalhymne
Die Kriegsereignisse ließen für ein Nachspiel keine Zeit , das gesamte Battaillon wurde nach Sardinien verlegt und Fritz erkrankte wie so viele seiner Kameraden an Malaria. Als dann Italien im Krieg umschwenkte, kamen wir nach Korsika und von Bastia aus aufs italienische Festland. Fritz schildert die folgenden Vorgänge so: Da musste wieder Sepp Herberger seine Hände im Spiel gehabt haben. Ich wurde verlegt nach Jever und wer das dortige Jagdgeschwader leitete war Major Hermann Graf.
Die Einordnung von Elba nach Jever und von der Infanterie zur Luftwaffe war kein leichtes Unterfangen. Bleibt anständig und leistet eure Trainingseinheiten, damit niemand etwas auszusetzen hat, das war die Order von Major Graf.
Wir spielten gegen eine Marine Auswahl in Aurich und hatten Ende 1943 ein Spiel in Stuttgart, sodass ich Weihnachten zu Hause feiern konnte. Wir haben in Hamburg gegen den Luftwaffen Verein und in Frankfurt gegen eine Stadtauswahl spielen sollen. Dieses Spiel fand nicht statt, da ein Bombenregen auf Frankfurt dieses verhinderte. Wir kamen alle heil davon.
Unser Fliegerhorst nach Rotenburg zwischenzeitlich verlegt wurde mit Bombenteppich vernichtet und es gab mehr als 200 Todesopfer. Auch Major Graf wurde mit Beinbrüchen und Armbruch verletzt. Dann wurden wir von Rotenburg nach Rennes in Frankreich verlegt. Von 12 gestarteten Ju 52 wurden 7 abgeschossen. So passierte es bei der Landung, dass der Motor brannte, Fritz Walter stand an der fortgeflogenen Ausstiegstür und wäre raus geflogen, wenn ihm die Kameraden nicht am Koppel zurück gehalten hätten. Dem Tod von der Schippe gesprungen, ein Erlebnis welches sich noch Ende der 50er Jahre in Amerika auswirken sollte, wo jeder Einstieg in ein Flugzeug zu einer Tragödie wurde.

In Rennes ebenfalls wieder ausgebombt, wurden wir nach Le Mans verlegt. Dann wieder über Paris und Metz zurück vor den anrückenden Invasionstruppen nach Dortmund und von dort wurden wir nach Finsternwalde verlegt. Fußball gespielt wurde trotzdem noch so in Krakau gegen Mölders-Krakau vor 20tausend Soldaten.

Das Spiel endete mit einem 14:1 Sieg.
Die heran rückende rote Armee beendete die Zeit in Krakau. Viele Kameraden wurden in dieser Zeit von russischen Tieffliegern getötet. Die Russen standen schon in Breslau und Kaiserslautern war bereits von den Amerikanern eingenommen. Eine letzte Verlegung vom Jagdgeschwader in die Slowakei erfolgte und wir mussten hier sämtliche Flugzeuge vernichten und versuchten so schnell wie möglich über die Moldau zu kommen.
So war Fritz Walter am 8. Mai 1945 dem Tag der deutschen Kapitulation westlich der Moldau und es war bekannt, wer bis Mitternacht sich dort befindet, kommt in amerikanische Gefangenschaft. Was schließlich am gleichen Abend gelang, das gesamte Geschwader „Rote Jäger“ kam in amerikanische Gefangenschaft. Wir hofften einfach bald unsere Familien wieder zu sehen und waren heilfroh, dass endlich der Krieg zu Ende war.

Reichstrainer Sepp Herberger
Sportkompanie mit Sepp Herberger



Auf einer Wiese wurden rund 40tausend deutsche Gefangene zusammen gepfergt und von den Amerikanern bewacht. Dann ging das Gerücht um, und es wurde schnell zur Gewissheit, wir werden an die Russen übergeben. Um uns als Gefangene zu kennzeichnen wurden uns Glatzen geschoren. Ich bekam einen Malaria Anfall und als ich wieder einigermaßen gesund war, waren alle meine Kameraden in Richtung Osten fort und ich war allein. 16 Tage wurden wir mit einem Güterzug nach Rumänien transportiert und in Hundertschaften eingeteilt um uns leichter nach Osten abtransportieren zu können.

Ich hatte das Glück zu den letzten 35 zu gehören, die warten mussten bis wieder eine Hundertschaft zusammen war. Wir spielten Fußball. Sie gingen nach dem Spiel alle auf mich zu und fragten woher ich komme und wie ich heiße und auch die Lagerpolizisten feierten mich, da mich einige noch aus dem Spiel in Budapest kannten. Damit war ich kein namenloser Gefangener mehr. Die Wachposten bestürmten den zuständigen russischen Hauptmann Schukow mich nicht nach Russland abzutransportieren. Eine glückliches Geschick er teilt mich der Wachmannschaft zu.
Dann ein weiteres gütiges Schicksal, mein Bruder Ludwig wird mit den nächsten Gefangenen Transport eingeliefert. Erneut gibt Schukow seine Zustimmung, dass auch mein Bruder hier bleiben darf. Als dann die Lagerinsassen nach Nationalität aufgeteilt werden, kommt der Slowake, der sich schon Anfangs für uns eingesetzt hat, zu uns und meint, da ja Kaiserslautern von Franzosen besetzt sei, seien wir Franzosen und nach Hause zu schicken. Schnell waren wir mit der Ablegung der deutschen Nationalität einverstanden.
Hauptmann Schukow schweigt zu allem und bestimmt zwei Walter-Franzosen ab in Richtung Heimat. Über Wien geht unser Transport und als die Wiener hören wer im Güterzug sitzt, will mich Rapid Wien gleich da behalten. Für uns gab es aber nur eins, heim in die Pfalz. Mein Bruder Ottmar war in amerikanischer Gefangenschaft. Meine Kameraden die nach Sibirien ins Lager gebracht wurden kehrten erst 1949 heim und nur wenige hatten das Glück, überhaupt zurück zu kommen.
Viele große Spiele habe ich in den nächsten Jahren noch spielen dürfen, wenn ich nur an 1954 in Bern denke, aber das wichtigste Fußballspiel in meinem Leben war mein Spiel im Gefangenen Lager von Marmaros-Sciget in Rumänien.
Wieder in Kaiserslautern mussten wir innerhalb von vier Wochen nach Anordnung der französischen Besatzungsmacht Arbeit aufnehmen und wie wir uns dann durch geschlagen haben, die Tabak- und Kartoffelspiele, das werdet ihr im nächsten Artikel erfahren.
So erzählte Fritz Walter seine Erlebnisse aus den Kriegsjahren, dann die Aufbauarbeit auf den Betzenberg war wieder ein Kapitel für sich. Diese Zeit mit der Herstellung des von Panzerketten zerstörten Platzes, die französische Einflussnahme auf alle Handlungen, die Umbenennung des Stadions nach einem französischen Offizier “Stade de Montsabert“ und die ersten Trainingseinheiten, diese Erzählungen lernte ich noch aus dem Mund von Fritz Walter persönlich kennen. Kein Vergleich zu den heutigen Profis die von Entbehrungen und ehrenamtlicher harter Arbeit keine Ahnung haben. Aber es gilt hier wie immer schon, die Kinder sollen es einmal besser haben – doch die Frage muss gestellt werden – wie lange geht das noch so weiter?
… dann die erste deutsche Fußball Endrunde nach dem Krieg.

Gerhard Ahrens

PS: Uter http://picasaweb.google.de/ahrensgerhard gibt es eine große Bilderauswahl sowie bei http://www.wo-was-wie-hilft.de/ aus vielen Stadien und Ländern Berichte nicht nur über eine sehr schöne Fußballvergangenheit.
br>