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Die Kartoffelspiele und das erste Deutsche Endspiel nach dem Krieg

27.03.10 (Aktuelles, Gerhard Ahrens, Startseite)

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Gerhard Ahrens schreibt für FussballFanSeiten.de – Folge 9

„Der Betzenberg war total von Panzerketten zerfahren“

In der Pfalz spricht man bei Kartoffelspielen von „Grumbeerspielen“. Da konnte man sich 10 Jahre später noch streiten, ob bei einem Spiel in Lauterecken bei einem 22 : 0 Sieg nun 22 Sack Kartoffeln oder nur 20 gewonnen wurden. Oder was bei einem Spiel in der Vorderpfalz in Herxheim an Tabak eingespielt wurde. In Zeiskam durfte sich die Mannschaft großzügig mit Zwiebeln eindecken usw. usw.
Jedenfalls bei jedem Spiel in den um Kaiserslautern liegenden Landkreisen waren die Grumbeeren das wichtigste Argument, um auf die Dörfer zu gehen. Diese Geldspritzen bei den kleinen Vereinen, wenn die Walter-Elf antrat strömten die Besucher, machte die Elf unglaublich beliebt und auch die Mannschaft konnte sich und die Familien mit Kartoffeln über Wasser halten.

Wie dann die Kartoffeln nach Haus geschafft wurden, ist ein anderes Kapitel, Niemand hatte ja damals ein Auto und der Weg zum Training auf den Betzenberg ging über die Malzstraße 200 Treppenstufen hoch. Bevor man dann oben war, war der erste Trainingsabschnitt schon abgeleistet so sehr ging der Aufstieg in die Beine und da mussten ja auch die Kartoffeln runter.
Als Fritz Walter mit Bruder Ludwig im Oktober 1945 in Kaiserslautern als Franzosen eintrafen, wie von der Wachmannschaft im Gefangenenlager in Rumänien verabschiedet, war der Betzenberg total von Panzerketten zerfahren. Er suchte die französische Kommandantur auf und versuchte den Platz wieder für den Spielbetrieb frei zu bekommen. Es war gleich nach dem Krieg nicht so einfach, irgendwelche Freigaben bei den Franzosen zu erreichen. Die Auflagen waren schikanös und mussten eingehalten werden. Die Mannschaft hatte Anfangs beim VFR Kaiserslautern auf dem Erbsenberg zu trainieren und zu spielen. Später als der Betzenberg nach einem französischen General benannt wurde ging es leichter. Das Fritz nun oft bei der französischen Kommandantur vorsprechen musste, hatte auch seine guten Seiten, er lernte Italia seine spätere Frau kennen. Dass er deshalb so oft bei der Kommandantur war sind einfach nur Gerüchte. Jedenfalls erreichte er sein Ziel, der Betze wurde wieder frei für den Spielbetrieb.



Es waren unglaublich harte Zeiten, kaum etwas zu essen und die halbe Stadt in Schutt und Asche. So erzählte mir mein späterer Sportkamerad Bernhard Fuchs (1951 Deutscher Meister) wie er bei seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft sich beim Arbeitsamt melden und innerhalb 4 Wochen Arbeit aufgenommen haben musste, sonst wäre er in französische Gefangenschaft abgeschoben. Ein Arbeitskollege von ihm hätte sich vor der Arbeit gedrückt und wäre abgeführt worden und nicht mehr aufgetaucht.
Er kam ins Eisenbahn Ausbesserung Werk und hatte Tag für Tag durch Aluminium schweißen seine Gesundheit ruiniert. Es wurden Normen vorgegeben, die nur ganz schwer zu erreichen waren, ja, der 12 Stunden Arbeitstag war die Regel. Der Kohldampf in dieser Zeit war so groß, dass die beiden Freunde und Spielkameraden Bernhard Fuchs und Otto Render sich bei Dunkeln aufmachten und nach Kartoffeln auf den nahen Feldern suchten. Sie spielten beide in ihrem Heimatdorf Siegelbach gemeinsam in einer guten Landesliga Elf.
KottenEisenbahnstr.
SSo erzählte er bereits 87 Jahre alt und ausgesprochen rüstig: „Wir waren eines Abends wieder durch den Wald an das Feld geschlichen am Kühbörncheshof und plötzlich am anderen Ende des Feldes ein Aufseher. Schnell hinter die Büsche und Bäume und er kam nah und näher und dann, oh, großes Glück, war es der Torwart aus unserer eigenen Siegelbacher Elf, der auch auf Kartoffelklau war.“ Es wurde auch ein Spielkamerad der einem amerikanischen Biwak Camp zu nahe gekommen war, erschossen.
Fritz hatte zwischenzeitlich eine gute Mannschaft aufgebaut und trainierte eisern vor der Haupttribüne mit der Aufschrift “Stade de Montsabert“. Als dann die Franzosen abgezogen waren, prangte lange Zeit die Kreissparkasse Kaiserslautern statt der Name des französischen Generals oberhalb der Haupttribüne.
Dem FCK seine Stammspieler Torwart Pat Baumann und auch Schaub waren im Krieg gefallen. Im Verein gab es ein großes Nachwuchs Potential was nach und nach genau wie Bruder Ottmar, der während seiner Marinezeit in Kiel und Cuxhaven gespielt hatte, aus amerikanischer Gefangenschaft zurück kehrte. So dass Fritz Walter mit Unterstützung von Sepp Herberger, der während der Kriegsjahre immer seine schützende Hand über Fritz gehalten hatte, eine großartige Mannschaft aufgebaut werden konnte. Die dann in Köln 1948 gegen den 1. FC Nürnberg im ersten deutschen Endspiel nach dem Krieg eine gute Figur abgab, aber leider 2:1 verlor.
Montsabert
Spiel im Stade
Es gab für die Walter-Elf bei der Rückkehr einen würdigen Empfang in der Heimat. Immerhin gelang es der Elf noch fünf Mal ins Deutsche Endspiel einzuziehen. In Folge der nächsten elf Jahre gab es dann eine fest programmierte durchlaufende Meisterschaft in der Oberliga Südwest. Immer erschwert durch TuS Neuendorf, Worms, Mainz, Ludwigshafen, Saarbrücken, Pirmasens und auch Frankental war fast immer dabei.
Sepp Herberger war oft auf dem Betzen anzutreffen, er trainierte und kannte die Mannschaft aus dem FF. Spötter meinten zwar, dass die Küche in der Metzgerei Speyerer, wo auch Fritz Walter sein Mittagsessen einnahm, eine große Zugkraft für ihn besaßen. Wer mir da Unterstellungen nach sagt. Ich halte ein persönliches Dankesschreiben von Sepp Herberger an die Familie Speyerer in Händen.
Das änderte sich jedoch als Fritz Walter 1948 seine große Liebe Italia heiratete. Auch hier hatte vorher Werner Liebrich immer wieder Gelegenheit zu spötteln, wenn bei den Spielen Italia auf der Haupttribüne saß und die roten Stiefel und die roten Fingernägel mit dem langen schwarzen Haar, dann als Hexen ähnlich von ihm erkannt wurden und die Angst mitspielte, dass Fritz Walter seine spielerische Linie in der Mannschaft verlieren könnte. Werner war da sehr erfinderisch und auch wir Jungen haben das später oft genug erfahren und seinen punktgenauen Spott hinnehmen müssen.
Auch Ernst Liebrich der in der Marineauswahl Holland gespielt hatte, kehrte bereits im November 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft nach Hause zurück.

Nach dem Endspiel gegen Nürnberg trainierte Fritz Walter den VFR Kaiserslautern und er verstand die Mannschaft 1949 bis in die höchste Klasse der Oberliga Südwest zu führen. Er war in seiner Art unerreicht, wie er verstand, die Mannschaft für den schönen Fußball zu begeistern. Sie wurde ein ernsthafter Konkurrent zum FCK und Fritz Walter wurde vom FCK Präsidium zurück gepfiffen. Ich kann mich noch gut an den Mittelstürmer Willimowsky 1954 beim VFR erinnern, der auch national spielte und man sagte von ihm, wenn der am Ball ist, gibt es ein Tor. Der kann einen Gegenspieler auf den Bierdeckel um spielen, hieß es damals.

Im nächsten Abschnitt kommt die erfolgreichste Zeit der Waltermannschaft, die 51er und 53er Deutschen Meisterschaften. Die Pleite in Hamburg, die den fünf Weltmeistern vom FCK fast die Berufung zur Weltmeisterschaft nach Bern gekostet hätte. Nur der alte Fuchs Sepp Herberger wusste genau, was für ein spielerisches Leistungsvermögen in den Spielern steckte. Man kann einmal einen schlechten Tag erwischen, wo überhaupt nichts klappt, (der Ball ist rund) doch die spielerischen Möglichkeiten verliert man nicht so schnell. Ich vertraute Fritz Walter und seinen Kameraden, so seine Einstellung.
Sepp Herberger musste damals große Kritik einstecken und seine Worte später auf unserer Amerikareise: „Ich hätte gern noch 2 Spieler vom FCK mehr mit in die Schweiz genommen, (angedacht vom ihm waren Werner Baßler und Willi Wenzel) aber wenn das dann schief gegangen wäre, hätte man mich gesteinigt.“
VFR Kaiserslautern
Vizemeister 1948



Auch das tragische Unglück bei 8 Freundschaftsspielen in Norddeutschland als das dritte Brüderpaar Kohlmeyer neben den Liebrichs und Walters nicht mehr spielen konnte, wird von mir im nächsten Abschnitt mit den Top Höhepunkten der Waltermannschaft, den Meisterschaften, viele Fritz Walter Freunde begeistern und wehmütige Erinnerungen an eine glanzvolle Spielzeit im deutschen Fußball wachrufen.

Gerhard Ahrens

PS: Uter http://picasaweb.google.de/ahrensgerhard gibt es eine große Bilderauswahl sowie bei http://www.wo-was-wie-hilft.de/ aus vielen Stadien und Ländern Berichte nicht nur über eine sehr schöne Fußballvergangenheit.
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